Postpandemischer Veränderungsdruck – neue Erkenntnisse des IKTF (Dez. 2023)

Brandenburger Tor, Berlin. Aufnahme: Rainer Glaap

Unter dem Titel “Kultureinrichtungen in (post-pandemischem) Veränderungsdruck“ hat das Institut für kulturelle Teilhabeforschung (IKTF) in Berlin seine fünfte Studie vorstellt. Erkenntnisse aus 2019 werden mit Daten von 2023 verglichen.

Zentrale Ergebnisse, nicht überraschend, aber jetzt empirisch nachgewiesen:

  • Die Pandemie hat zu einer „Entwöhnung von Kulturbesuchen“ geführt.
  • Vor allem ältere Menschen scheuen immer noch das Ansteckungsrisiko, sowohl bei der Anreise als auch bei der Veranstaltung selbst. Im Schnitt meiden immer noch 41 % Orte mit vielen Menschen.
  • Über-50-Jährige nehmen weniger Kulturangebote wahr, Über-70-Jährige sogar deutlich weniger.
  • Selten- und Nie-Besucher:innen sind besonders stark weggebrochen, aber auch Vielnutzer – und wenn diese wegbrechen, fehlen gleich überproportional viele Besuche.
  • Jüngere Befragte wünschen sich mehr Diversität und mehr Möglichkeiten zur KoKreation.
  • Einer der Gründe für den Nicht-Besuch ist mit 36 % der Mangel an Begleitpersonen (2019 nur 26 %).
  • Ein erstaunliches Ergebnis ist, dass 45 % der Befragten in 2023 (in 2019 nicht erhoben) als Hinderungsgrund für den Besuch angeben, dass Tickets Online gekauft werden müssten.
    Anm.: Das ist eine imho komplett falsche Einschätzung, über die ich schon an anderer Stelle geschrieben habe: Nach meiner Erkenntnis hat keine Theaterkasse ihre Arbeit eingestellt, die großen Kultureinrichtungen sind überwiegend mit Plattformen wie Eventim.de verbunden, deren Angebot immer noch in zahlreichen Vorverkaufsstellen abgefragt und vor Ort gegen Bargeld gekauft werden kann. Merker: Vielleicht sollten Kultureinrichtungen klarer darstellen, WO und WIE Tickets zu ihren Veranstaltungen erworben werden können.
  • 28 % beklagen eine „schwierige Informationssuche“, wobei Jüngere und Ältere dabei sogar eher bei 40 % liegen).
     Anm.: Ist das möglicherweise eine Schutzbehauptung? Informationen über die meisten Kulturangebote sind nur einen Klick im Internet entfernt, vor allem Jüngere dürften als „digital Natives“ doch eigentlich überhaupt kein Problem mit der Informationssuche haben.
Studie #5 des IKTF, Berlin
  • 47 % beklagen einen Mangel an „interessanten Angeboten in der Umgebung“ – ein ähnliches Ergebnis hat vor einiger Zeit eine französische Erhebung gezeigt, wo die Befragten angaben, eher näher an ihrem Wohnort ausgehen zu wollen und auch eher früher als später.
    Anm.: Mehr im Umfeld des Angebots werben und die Entfernung klarer herausstellen. Ev. Social-Media Plattformen wie nebenan.de verstärkt nutzen, die rein auf nachbarschaftliche Veranstaltungen (und Verkäufe und Dienstleistungen aller Art) setzen.

Ähnlich wie beim „Relevanzmonitor Kultur“ der Liz-Mohn-Stiftung im Frühjahr (mehr hier) bestätigt auch die vorliegende Untersuchung des IKTF, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen die Kulturförderung mit öffentlichen Mitteln gut und richtig findet (84 %) und dass „solche Angebote für kommende Generationen erhalten bleiben“ sollen (96 %). Ebenfalls ähnlich wie beim Relevanzmonitor schätzen aber auch hier 38 % der Befragten ein, dass „die meisten dieser Angebote sich nicht an Menschen wie mich richten“.

Immerhin noch ein Viertel finden die „Verhaltensregeln“ zu steif und 50 % wünschen sich „lockere Veranstaltungen, bei denen man auch etwas essen und trinken kann“.

Die Ergebnisse werden am 6.12.2023 um 14 Uhr in einem Webinar vorgestellt. Anmeldungen über die Website des IKTF.

Quelle: „Kultureinrichtungen in (post-pandemischem) Veränderungsdruck – wie zu anderer Relevanz gelangen – Analysen aus der Bevölkerungsbefragung ‚Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023‘“ von Vera Allmannritter und Oliver Tewes-Schünzel, Dez. 2023

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